Der facettenreiche Parque de Serralves in Porto

Durch hochkarätige Ausstellungen streifen, betörend schöne Baumalleen entlang schlendern, in die Baumwipfel hinein spazieren und vielerlei Haus- und Wildtiere beobachten

Unsere Wahlheimat Lissabon hat bekannterweise sehr viel Charme und zieht in jedem Jahr immer noch mehr Besucher*innen wie magisch an. Das deutlich weniger gut besuchte Porto, steht der Attraktivität der portugiesischen Hauptstadt keineswegs nach, es fasziniert durch seine herrliche Lage am Douro und durch seine komplexe Bebauung. Ihr könnt von den mittelalterlichen Gebäuden hinabsteigen durch eine zum Teil dörflich wirkende Besiedlung, um in das bunte Ribeira-Viertel hinein zu stolpern. Nicht weit entfernt: wunderschöne Art déco-Bauten, wie die berühmte Buchhandlung Lello, in der J.K. Rowling sich für Harry Potter inspiriert haben soll, was sie allerdings selbst bestreitet. Hier und dort Fabrik-Gebäude, die in Kunst- und Kulturzentren umgewandelt wurden, hübsche Villen und natürlich auch Wohnblöcke, mittendrin imposante Architektur-Perlen, wie die unübersehbare Casa da Música, das Konzerthaus der Stadt und überall erstaunlich viel Natur.

Wenn wir nach Porto reisen, dann zieht es uns aber vor allem in den etwas außerhalb des Stadtzentrums befindlichen Parque de Serralves. Dieser von dem französischen Landschaftsarchitekten Jacques Gréber 1932 angelegte Park kann als Paradebeispiel für die Landschaftsarchitektur der Art déco-Periode angesehen werden. Auch die in dieser Zeit gebaute Casa de Serralves beeindruckt mit ihren typischen Art déco-Elementen, die übrigens zusammen mit neoklassizistischen und romantischen Zügen der sogenannten Stromlinien-Moderne-Architektur zugeordnet werden. Und nachdem dann kurz vor der Jahrtausendwende noch das Museu de Arte Contemporânea de Serralves ergänzt wurde, werden nun Kunstwerke in den Gebäuden und den Gartenanlagen ausgestellt. Eine perfekte Kombination aus Kunst und Natur für einen gemütlichen und doch inspirierenden Nachmittag mit der ganzen Familie.

Wie die meisten Besucher*innen beginnen wir unseren Nachmittag mit dem Besuch der Ausstellungen im Museum. Interaktive Ausstellungen und Filme ziehen auch unsere Kinder schnell in ihren Bann. Sie haben sich ein Programmheft genommen und bemalen und beschreiben dieses mit Freude und Konzentration.

Durch die Foto- und Gemälde-Ausstellungen bewegen wir uns etwas zu schnell, nicht jedoch ohne hin und wieder mit den Töchtern über das eine oder andere Kunstwerk zu diskutieren. In den Ausstellungsräumen befinden sich große Fenster, die sich zum Garten öffnen und uns bereits hinaus locken möchten.

Wir machen eine Kaffeepause (in Portugal übrigens gerne als lanche bezeichnet) in der netten Bar im Untergeschoss und besuchen sogar noch die ausgesprochen hübsche Bibliothek, bevor wir endlich in den Garten hinaustreten. Es ist herrlich warm, aber unter den großen Bäumen lässt es sich gemütlich dahin wandeln, die Kinder erspähen hier und dort Skulpturen und Kunstwerke und beraten sich mit uns über deren Bedeutung.

Eine wunderschöne Brunnenanlage kommt in Sicht, bevölkert von Hunderten von Möwen, die hier anscheinend einen Nachmittagsstop eingelegt haben, um später wieder zum nahen Ozean zurück zu fliegen.

Vor den Brunnen befindet sich die hübsche Casa de Serralves, die allerdings gerade renoviert wird. Gleich daneben die Casa do Cinema, in der der portugiesische Filmemacher schlechthin: Manoel de Oliveira gefeiert wird. Er galt in den letzten Jahren als ältester aktiver Filmemacher der Welt, und der einzige, der bis dahin seit der Stummfilmzeit Filme gemacht hat. Eigentlich wollte er als Schauspieler arbeiten, aber der in den 1930er Jahren ausgestrahlte Film Berlin – Die Sinfonie der Großstadt beeinflusste ihn so nachhaltig, dass er nun selbst Filme drehen wollte.

Seinen ersten Dokumentarfilm über die harten Arbeits- und Lebensbedingungen in Porto und am Douro könnt Ihr Euch in Ausschnitten in diesen Ausstellungsräumen ansehen. Es folgten einige wenige Filme, die jedoch in Portugal quasi nicht gezeigt werden durften. Erst nach dem Ende des faschistischen Estado Novo wurde Oliveira schließlich richtig aktiv und drehte noch 30 Spielfilme, mit denen er bei den Filmfestivals von Venedig, Cannes und Montreal viele Preise gewann.

Er war übrigens auch mit Wim Wenders befreundet und bekam in dessen berühmten Film Lisbon Story einen Gastauftritt, bei dem er sich selbst spielt. Oliveira wurde 106 Jahre alt und drehte bis zu seinem Tod immer neue Filme. Wenn Eure Kinder Euch nicht sofort zu dem neu angelegten Baumwipfelpfad weiter ziehen, dann könnt Ihr Euch einige dieser Filme ansehen, ebenso die verliehenen goldenen Löwen und anderen Trophäen, die Oliveira erhalten hat.

Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Tee gekommen? Dann macht noch einen Abstecher zu dem anheimelnden Teehaus, in dem Ihr Euch entspannen könnt, während Eure Kinder über den ehemaligen Tennisplatz daneben rennen werden.

Wir sind direkt zum Baumwipfelpfad weiterspaziert, weil wir unser mitgebrachtes Picknick im Schatten verspeisen wollten und hofften, dies mit Weitblick tun zu können. Das besondere an diesem Baumwipfelpfad ist, dass Ihr ebenerdig eintretet und dann ohne aufzusteigen in luftige Höhe gelangt, da der Weg hoch über das kleine Tal führt.

Von hier oben seht Ihr den schönen See samt Insel tief unten und etwas entfernt eine große Weide mit allerhand Tieren. Die Vögel zwitschern zauberhaft in den Ästen ringsherum, ich wäre hier gerne noch viel länger geblieben.

Aber die Töchter sind hungrig und der Picknickplatz muss erst noch aufgespürt werden. Viele schattige Plätze haben bereits ihre Gäste gefunden und erst unten am See werden wir fündig. Idyllisch liegt dieser vor uns, mit Insel, Bootshaus-Grotte und ein paar Enten, denen Ihr die Verwandtschaft zu den Dinosauriern noch ansehen könnt.

Später spazieren wir gemütlich an der Weide entlang zu den alten Stallungen, die verträumt und wie aus einer anderen Zeit geholt am Ende des Parkes zwischen blühenden Gärten auf uns warten. Die Tiere wurden bereits von der Weide gebracht und warten hier entspannt auf die Dunkelheit.

Unsere Kinder sind begeistert von den langhaarigen Eseln, Rindern, dem Pony und dem Schwein, den Schafen und den vielen Hühnern. Wir verbringen Stunden in diesem ländlichen Bauernhofparadies und beobachten die grünen Papageien, die zwischen Elstern, Möwen und allerhand anderen Vögeln jetzt die leere Weide bevölkern.

Nach einem letzten Schlenker durch den Geruchsgarten, der gerade herrlich erblüht, aber doch etwas unangenehm duftet, nehmen wir einen anderen Rückweg durch den gewaltigen Mischwald und erspähen noch ein überdimensionales Spinnennetz, sowie einen kleinen Igel, bevor wir sehr entspannt und zufrieden den bezaubernden Park verlassen.

Öffnungszeiten:
Täglich, 10:00 – 19:00 Uhr

Anfahrt:
Von der Casa da Música mit dem Bus 203 zur Station Serralves.

GPS (Eingang zum Park):
41.15996118115621, -8.659934103883714

Unterwegs:
Ihr könnt bequem zu Fuß laufen und auch fast überall einen Kinderwagen mitnehmen.

Eintrittspreise:
Ändern sich häufiger. Bei unserem letzten Besuch galten folgende Preise:
Bis 12 Jahre:
Eintritt frei

Ab 13 Jahre:
12 Euro für den Besuch von 2 Attraktionen (z.B. Museum und Park) 
20 Euro für alle Attraktionen (Park, Kunstmuseum, Kino-Museum Manoel de Oliveira, Serralves Villa, Baumwipfelpfad)
Wenn Ihr genügend Zeit mitbringt rate ich Euch unbedingt zu einem Ticket für alle Attraktionen.

Webseite:
serralves.pt

Facebook:
www.facebook.com/fundacaoserralves/

Restaurants:
Im Park lädt ein Teehaus, eine Bar und ein sehr hübsches Restaurant im Museumsgebäude zu einer Zwischenmahlzeit oder zum Mittagessen ein. Um den Park herum findet Ihr verschiedene weitere Restaurants.

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1 Comment

travellingcarola 22. Juni 2021 - 5:33

Lieber Jens, danke fürs Mitnehmen. Ich habe eine besondere Verbindung zu Porto – eine Stadt, die mich mitten ins Herz getroffen hat. Vielleicht liegt es daran, dass es eine meiner ersten Solo-Reisen war. Damals bin ich auch durch Museum und Park geschlendert und war total begeistert von den Pflanzen, den Teichen und generell der ganzen Anlage. Den Baumwipfelpfad gab es damals noch nicht … Ja, Portugal sollte ich unbedingt mal wieder besuchen!

Viele Grüße
Carola

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