Ritzzeichnungen und wilde Tiere im Vale do Coa

Eine faszinierende Reise in die Steinzeit

 

Das Coa Tal liegt im Nordosten Portugals nahe dem sprichwörtlichen Tras-os-Montes (Hinter den Begen) und reicht hinauf bis zum imposanten Douro-Tal. Die spanische Grenze ist ganz in der Nähe, was sich durch unzählige Festungen und Ruinen in dieser Gegend manifestiert. Außer diesen wäre die Gegend wohl nur wegen ihrer überwältigenden Abgeschiedenheit so spannend, hätte man hier nicht kurz vor der Überflutung des Coa Tals im Zuge eines geplanten Staudamm-Baus in den 1980er Jahren viele bemerkenswerte und sehr alte Steingravuren entdeckt. Die FAZ berichtete im August 2018 in ihrem Artikel Wimmelbilder aus der Steinzeit ausführlich von diesem portugiesischen Unesco-Weltkulturerbe.

Die Augen folgen einem Grashalm, der leise durch eine uralte Felsritzung streicht: Ein Ohr, Hörner, die Linie fällt sanft ab zu einem Rücken, wirbelt an einem kleinen Schwanz entlang und formt noch rasch 2 Beine, bevor sie zum Kopf des Steinbocks zurück kehrt.

Als wir am frühen Nachmittag von Marco mit seinem Jeep abgeholt werden, ahnen wir noch nichts von dem, was uns am Ende einer kleinen holprigen Fahrt an steilen Hängen entlang erwartet. Er doziert ein wenig über die herrlichen weiß und rosafarbenen Mandelblüten (es ist März) und die überall sichtbaren kleinen runden Tauben-Türmchen. Die früher darin gezogenen Tauben dienten der Landbevölkerung zur Nahrungsergänzung, aber vor allem nutzte man den Taubenkot als hervorragenden Dünger in den Olivenhainen, Weingärten und Mandelplantagen.

 

Noch eine Kurve und dann öffnet sich vor uns der Teil des Coa Tales, den man Penascosa nennt. Auf den ersten Blick versteht man, warum sich die Menschen damals diesen Ort ausgesucht haben, denn die Felsplatten stehen wie Staffeleien am Hang und darauf finden sich viele Zeichnungen von Auerochsen, Hirschen, Pferden, Gämsen, Steinböcken und einem einzigen Fisch.

 

Marco zeigt uns mit seinem improvisierten paläolithischen Zeigestock, einem Grashalm, die Umrisse verschiedener Tiere und nimmt uns augenblicklich mit auf eine Reise in eine ferne Zeit. Die einzelnen Ritzzeichnungen sind meist über anderen Ritzzeichnungen platziert, was auf uns erst einmal befremdlich wirkt. Hin und wieder wird auf diese Weise die Bewegung eines Tieres in Form von Zwiebelhaut-Schichten dargestellt, meist jedoch sind die Konturen verschiedener Tiere einfach übereinander angebracht. Marco erklärte uns dazu, dass das Zeichnen der Tiere den immer gleichen Gestaltungsmethoden entspricht und möglicherweise eher als Ritual ausgeführt wurde. Bis auf unsere Jüngste sind wir alle begeistert und können uns kaum satt sehen an den uralten Kunstwerken.

 

Hin und wieder finde ich Gelegenheit, die herrliche Natur dieses kleinen Paradieses wahrzunehmen und im lieblich dahinplätschernden Coa-Fluss sehe ich prompt einen Otter. Vögel zwitschern vielstimmig, hoch über dem Tal gleitet hin und wieder ein Geier dahin. Wir möchten gar nicht mehr fort von diesem magischen Ort. Später bestätigt uns unser Nachbar in Lissabon, was uns bereits hier vielfach empfohlen wurde: Eine nächtliche Tour zu den Ritzzeichnungen ist sogar noch eindrucksvoller, denn mit der Positionierbarkeit von künstlichem Licht kann man die magischen Bilder der Steinzeit wunderbar zum Leuchten bringen. Für größere Kinder ist dies sicherlich eine noch aufregendere Variante der Zeitreise.

Das sehr moderne Museu da Fundação do Côa nahe der Flussmündung der Coa bietet viele Details zu den Ritzzeichnungen der Umgebung, auch zu dem Protest der Bevölkerung, der schließlich dazu führte, dass das Stausee-Projekt doch noch aufgegeben wurde. Man kann sich Audioguides ausleihen. Hier und da gibt es auch ein wenig für Kinder zu ergründen. Im schönen Restaurant mit Blick auf das nahe Douro-Tal speisen wir fürstlich. Es gibt sogar ein paar vegetarische Köstlichkeiten. Die Töchter nutzen die Gelegenheit und zeichnen Tiere auf Papier, die stark an die gesehenen Ritzzeichnungen erinnern.

 

Bevor Marco uns leidenschaftlich darauf hinwies, haben wir es schon selbst begriffen: Das Coa Tal hat noch weit mehr zu bieten, als die steinzeitliche Bildergalerie. Eine winzige abgelegene Straße führte uns durch eine Natur, wie ich sie bisher nur von großen amerikanischen Nationalparks kannte. Vor einem Tor zur Faia Brava stoppten wir und sahen uns begeistert um. Hier könnt Ihr Wildpferde und Rinder beobachten, hunderte Vogelarten, darunter Gänsegeier und Schmutzgeier, Steinadler und Habichtsadler, sowie Uhus und Schwarzstörche. Seit 2015 bietet dieses Naturschutzgebiet eine besondere touristische Attraktion, das Faia Brava Starcamp, drei Zelthütten, im besten Glamping-Style, in denen Ihr mitten in der Wildnis recht komfortabel und doch sehr naturnah übernachten könnt.

 

 

Touren:
Verschiedene Anbieter, z.B.: Ambieduca
Das Museum vermittelt auch Touren mit diesen Anbietern.

Museum:
Museu da Fundação do Côa
Rua do Museu, 5150-620 Vila Nova de Foz Côa, Portugal
arte-coa.pt
Oktober bis Februar: 9:00 – 17:30 Uhr
März bis Mai: 9:30 – 18:00 Uhr
Juni bis September: 9:30 – 19:00 Uhr

Telefon: +351 279 768 260

Location: 41.0799989, -7.1139776

Restaurant:
Webseite: arte-coa.pt/en/restaurante/
(Unbedingt rechtzeitig reservieren, denn um die Mittagszeit ist es hier oft sehr voll und man kann lange auf einen freien Tisch warten.)

Naturschutzgebiet Faia Brava:
Facebook: facebook.com/faiabrava/

Faia Brava Starcamp:
Webseite: starcamp-portugal.com

Anfahrt:
Mit Auto einfach, mit Bus und Bahn etwas komplizierter (Siehe Hinweise auf der Webseite des Museums!)

Beobachtbare Tiere (Faia Brava):
Wilde Garranos-Pferden, Maronesas-Kühe, Otter, hunderte Vogelarten (z.B. Gänsegeier, Schmutzgeier, Steinadler, Habichtsadler, Uhus und Schwarzstörche)

Unterwegs:
Die einzelnen Orte an denen die Ritzzeichnungen zu sehen sind, sind sehr unterschiedlich, hinsichtlich der Zugänglichkeit. Für kleine Kinder und auch mit Kinderwagen völlig unkompliziert möglich ist wohl nur Penascosa.

 

 

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4 Comment

Ines von Viermal Fernweh 1. Juni 2021 - 21:14

Die Ecke Portugals kenne ich noch gar nicht, klingt total interessant. Ich habe mal eine Zeit lang an der Algarve gearbeitet und will seitdem unbedingt wieder nach Portugal, irgendwie will es nicht klappen. Schön, dass ich auf Deinen Blog gestoßen bin, da habe ich noch viel Zeit, mich zu belesen.
Viele Grüße nach Lissabon. Ines

Jens 1. Juni 2021 - 22:01

Ja, komm bald mal wieder her und am besten mit viel Zeit! Übrigens ist gerade der schönste Monat angebrochen. Im Juni hat Portugal oft mediterranes Wetter. Wir können auch mal den ganzen Abend in unserem Garten sitzen ohne zu frieren, und (normalerweise) finden überall gemütliche Parties statt, vor allem hier in Lissabon und das Land blüht und grünt noch, bevor es dann ab Juli zunehmend vertrocknet. Herzliche Grüße zurück ins schöne Berlin, Jens

Barbara / Reisepsycho 31. Mai 2021 - 16:44

Wow, ich bin begeistert! Ich kannte diese Gegend noch gar nicht, obwohl ich schon mehrmals in Portugal war. Das kommt jedenfalls auf die Liste! Danke dir, LG Barbara

Jens 1. Juni 2021 - 21:56

Ja, das portugiesische Hinterland, besonders um die Grenzregion zu Spanien herum ist ausgesprochen sehenswert. Es gibt hier unzählige kleinere und größere Gebirge, beeindruckende Flusstäler, wunderschöne Flussstrände, uralte Dörfer, Festungen und vor allem ein Übermaß an unberührter Natur. Das habe ich selbst auch erst nach einigen Jahren verstanden. Herzliche Grüße, Jens

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