Ein kleines, aber spannendes Museum mit VR-Experience erkunden und dann in die Steinzeit hinabklettern, um uralte Höhlenmalereien und Felsgravuren zu bewundern
Schon seit Jahren wollen wir die einzige bekannte portugiesische Höhle mit Höhlenmalereien und Felsgravuren im Alentejo besuchen, aber da eine Voranmeldung für eine Besichtigung erforderlich ist, haben wir es in den letzten Jahren doch nie einrichten können. Erst ein unglücklicher Zufall hat uns am letzten Wochenende eine unerwartete Gelegenheit verschafft, die beeindruckende Höhle samt Interpretationszentrum zu besuchen.

Eigentlich sollte es ein entspanntes Campingwochenende im Alentejo werden. Doch kaum war das Auto beladen, hielt uns unser freundlicher Nachbar Eduardo im Treppenhaus auf: Ein Wasserschaden in der Wohnung über ihm, der inzwischen auch schon sichtbar zu uns durchsickerte! Statt loszufahren, verbrachten wir die nächsten Stunden mit Feudeln bewaffnet auf seinen überfluteten Böden. Als wir endlich aufbrechen konnten, war der Campingplatz außer Reichweite. Kurzerhand entschieden wir uns, auf dem Parkplatz der Gruta do Escoural zu übernachten – und waren überrascht, dort in der Dunkelheit noch drei weitere Wohnmobile vorzufinden.

Am nächsten Morgen begriffen wir warum dieser Parkplatz sogar im Winter so beliebt ist. Um uns herum zeigte sich der Alentejo von seiner schönsten Seite: Grüne Wiesen mit ersten Frühblühern, dahinter ein offener Wald voller Olivenbäume und Korkeichen. Noch enthusiastischer wurden wir, als wir tatsächlich eine Führung in der Höhle buchen konnten und fuhren dann beschwingt zum zugehörigen Interpretationszentrum.

Dieses kleine Museum befindet sich im nahegelegenen Santiago do Escoural. Eine sehr sympathische Angestellte begrüßte uns dort und erklärte uns die ausgestellten Attraktionen. Für ein so kleines Museum wird hier erstaunlich viel geboten, eine begehbare Installation, die den ersten Moment erlebbar macht, als Steinbrucharbeiter die bis dahin seit Tausenden von Jahren vergessene Höhle 1963 bei einer Sprengung wiederentdeckten. Ein Video beschreibt, was die Arbeiter in der Höhle fanden und wie schnell sie begriffen, was für eine außergewöhnliche Entdeckung sie gemacht hatten. Einige Nachbildungen von in der Höhle gefundenen Knochen und Gegenständen können besichtigt und zum Teil sogar angefasst werden und mit einem VR-Headset dürfen Kleine und Große dann die Höhle und einige megalithische Monumente erkunden. Auch wenn hier kein wirklicher virtueller Spaziergang unternommen werden kann, waren wir alle begeistert von dieser neuartigen Erfahrung und sind uns sicher, dass hier in Zukunft noch viel mehr möglich sein wird.

Zurück am Parkplatz der Höhle wartete Sonia, unsere engagierte Führerin, schon auf uns, denn wir waren für die Führung spät dran. Mit Helmen auf dem Kopf spazieren wir dann hinab in die Steinzeit. Sonia erweist sich als sehr humorvolle und kenntnisreiche Expertin, die viel zu zeigen und zu erzählen hat und auf jede Frage eine Antwort weiß. Unsere Töchter überrascht sie mit einer sehr modernen Sichtweise auf die Steinzeitzeichnungen, die nahe legt, dass möglicherweise häufig Frauen diese anfertigten, vielleicht sogar häufiger als Männer. Tatsächlich geht die heutige Forschung zunehmend davon aus, dass die Rollenverteilung in der Steinzeit weniger strikt nach Geschlechtern getrennt war als bisher angenommen. Wahrscheinlich beteiligten sich auch Frauen regelmäßig an der Jagd, während Männer ebenfalls am Sammeln von Nahrung beteiligt waren.

Sonia zeigt uns wunderschöne Zeichnungen von Auerochsen, Hirschen und Pferden, die jedoch durch die Jahrtausende anhaltende Feuchtigkeit stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Mit ihrem LED-Lichtpointer verwandelt sie die uralten Linien zurück in die Zeichnungen, als die sie einmal angebracht worden waren. Vor diesen über 20.000 Jahre alten Zeichnungen zu stehen, erfüllt uns alle mit tiefer Ehrfurcht. Diese Kunstwerke entstanden lange bevor die ersten Hochkulturen aufkamen – nahezu die gesamte bekannte Geschichte der Menschheit liegt zwischen ihnen und uns. Vermutlich waren einst die Höhlenwände noch viel umfangreicher mit solchen Malereien ausgestaltet. Und wenn wir auch bedauern, dass diese nicht mehr existieren, so sind wir doch sehr froh, über die wenigen erhaltenen Malereien und Gravuren.
In der Höhle wurden auch verschiedene abstrakte Zeichen gefunden, deren Bedeutung wir heute nur erahnen können. Einige vermuten, dass es sich dabei um eine Art Zähl- oder Kommunikationssystem handeln könnte. Manche Zeichen ähneln den sogenannten Schlüsselzeichen, die weltweit in unzähligen Steinzeitzeichnungen immer wieder auftauchen, z. B. Gittermuster, Punkte oder Wellenlinien. Manche Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass es sich hierbei um eine Art Schriftsystem handeln könnte, andere verweisen eher auf die Erfahrungen von Trance-Zuständen, bei der Menschen häufig solche Zeichen wahrnehmen. Bei den San im südlichen Afrika lässt sich dieser Zusammenhang quasi durch spezielle Motive relativ sicher belegen.

Ein paar Fledermäuse schwirren durch die Höhle. Da es in den letzten Tagen ungewöhnlich viel geregnet hat, tropft es überall von der Decke. Wir steigen vorsichtig in einen anderen Gang hinab und werden nun in kleinen Gruppen zu der Stelle geleitet, an der sich die herrliche Pferdekopf-Gravur befindet. Sie ist viel kleiner als erwartet, wird aber sehr ausdrucksstark im Licht der Lampe unserer Führerin sichtbar. Diese Gravur ist vermutlich ein paar Tausend Jahre jünger als die Zeichnungen und stammt aus einer Zeit, als die Menschen nomadisch durch das Land zogen und bevorzugt Pferde und andere Großtiere jagten. Ob es hier aber um die Jagd ging, oder vielleicht eher um religiöse Rituale lässt sich heute kaum mehr sagen. Tatsächlich wurden in der Gruta do Escoural aber Überreste von Auerochsen, Hyänen, Hirschen und Pferden gefunden.
In jüngerer Zeit wurde die Höhle vor allem als Nekropole benutzt. Unzählige Knochenfunde und zurückgelassene Gegenstände belegen die Nutzung der Höhle bis ca. 2.500 Jahre vor unserer Zeitrechnung als Begräbnisstädte. Möglicherweise waren hier die gleichen Menschen beteiligt, die auch die megalithischen Anlagen der Umgebung schufen. Allen voran das portugiesische Stonehenge: Cromeleque dos Almendres, wo etwa 100 Monolithe in verschiedenen Kreisen aufgestellt, eine heute wenig bekannte astronomische und rituelle Bedeutung hatten und vielleicht für öffentliche Zeremonien genutzt wurden. Oder das riesige Ganggrab Anta Grande do Zambujeiro, etwas südlich von Evora, was als einer der größten Dolmen der Welt gilt. In der Umgebung finden sich übrigens noch zahlreiche weitere beeindruckende Dolmen, falls Ihr selbst begeisterte Megalith-Fans seid.

Wir zählen uns eher zu den Bewunderern der Steinzeit-Kunst und haben uns bereits die Kopie der Chauvet-Höhle in Frankreich angesehen, sind tief in die südspanische Cueva de la Pileta hinein geklettert, waren begeistert von den Ritzzeichnungen im portugiesischen Coa Tal und haben uralte Felsmalereien der San an heißen Felswänden in Namibia bestaunt. Die Gruta do Escoural kann hier durchaus mithalten. Und auch wenn nur vergleichsweise wenige Felszeichnungen und Gravuren zu sehen sind, so sind diese sehr beeindruckend und ein Besuch in der Höhle wird auch hier zu einer faszinierenden Zeitreise in die Frühgeschichte der Menschheit.

Für Eure Planung
Parkplatz an der Gruta do Escoural
GPS: 38.54427687308804, -8.138021335223488
Der Parkplatz vor der Höhle wird gerne von Wohnmobilen genutzt, natürlich gibt es hier keinerlei Service und Campingverhalten ist nicht erlaubt.
Interpretationszentrum der Escoural-Höhle
GPS: 38.54239954782872, -8.16828000362283
Webseite: cm-montemornovo.pt
Öffnungszeiten
Juni bis September:
Mittwoch bis Sonntag
9:30 bis 13:00 Uhr
14:30 bis 18:00 Uhr
Oktober bis Mai:
Dienstag bis Samstag
9:00 bis 13:00 Uhr
14:00 bis 17:00 Uhr
Die Führungen selbst finden an diesen Tagen jeweils um:
10:00 Uhr | 11:30 Uhr| 14:30 Uhr| 16:00 Uhr statt.
Ihr müsst die Führung durch die Höhle mindestens am Vortag reservieren. Das funktioniert am besten per Email: visitar@patrimoniocultural.gov.pt. Selbst am gleichen Tag konnten wir per Email noch eine Führung buchen. Vielleicht genügt es auch am Morgen im Interpretationszentrum zu reservieren, aber gerade im Sommer wird das wahrscheinlich nur selten funktionieren.
Die Führungen finden auf Englisch oder Portugiesisch statt.
Fotografieren innerhalb der Höhle ist nicht erlaubt, man kann aber im Interpretationszentrum recht preiswert Postkarten der steinzeitlichen Kunstwerke erwerben
Fotohinweis
Die hier gezeigten Fotos vom Inneren der Höhle wurden auf formellen Antrag hin genehmigt und mit Erlaubnis der Behörde Património Cultural, I.P. bereitgestellt. Die Bildrechte liegen bei der Direção Regional de Cultura do Alentejo.
Preise für die Führung
Kinder bis 12 Jahre: Gratis
Erwachsene: 3,00 €
Senioren (ab 65 Jahre) und Studenten: 1,50 €
Besuch des Interpretationszentrum: Kostenlos
Kurzer Film über die Höhle und die dort vorhandenen Malereien und Gravuren (portugiesisch)
https://www.youtube.com/watch?v=HKh8vC1lFGY
Weitere megalithische Monumente in der näheren Umgebung
Cromeleque dos Almendres
Anta Grande do Zambujeiro
