Über bequeme Holzstegwege, am Wasser entlang, durch Wälder und Schluchten zu einer Burg, zu einem mittelalterlichen Schieferdorf und zu einem Wallfahrtsort spazieren
Wir haben uns so sehr auf einen Tag im Aquadome von Unhais da Serra gefreut und müssen dann auf dem Weg dorthin frustriert feststellen, dass das Thermalbad seit Wochen ausgebucht ist. Inzwischen sind wir vier zusammen mit zwei Freundinnen unserer Töchter schon fast in Coimbra angekommen, es dämmert und wir brauchen dringend eine gute Alternative, denn das Entsetzen der Kinder über die Planänderung ist groß. Die unzähligen Flussstrände der Umgebung sind im November allerdings kaum noch verlockend und die kleinen Pools der meisten Hotels wirklich keine Reise wert.
“Wir könnten in die Serra da Lousã fahren!”, bricht es aus meiner Partnerin heraus. “Meine schönsten Reise-Erinnerungen als Kind habe ich dort in Ferienlagern gesammelt. Wir hatten damals unglaublich viel Freiheit und konnten einfach durch die Natur streifen, wie wir wollten.” Nun ja, das klingt noch nicht wirklich nach einem guten Alternativplan. Und dass es dort so schön sein soll, halte ich erst einmal für eine nostalgische Verklärung ihrerseits. Damit liege ich allerdings komplett falsch, wie sich noch herausstellen wird.
Es ist stockdunkel, als uns Gerwien auf ihrem kleinen Stellplatz neben ihrem Gemüsegarten in Lousã begrüßt. Die freundliche Niederländerin, die vor ein paar Jahren mit ihren 3 jugendlichen Kindern nach Portugal ausgewandert ist, zeigt und erklärt uns die Komposttoilette, die Solardusche und lässt es und frei, irgendwo unser Wohnmobil abzustellen, da wir heute die einzigen Gäste sind. Bevor sie sich verabschiedet empfiehlt sie uns noch eine Wanderung zum Castelo da Lousã. Also machen wir uns am nächsten Morgen zu Fuß dorthin auf den Weg. Es sind noch ein paar Nachfragen nötig, bis wir ihn an der Kirche Igreja Matriz da Lousã an der rotgelben Markierung erkennen.
Er führt uns an hübschen Höfen und Villen vorbei, recht schnell aus der sympathischen Stadt hinaus und den Berg hinauf zu einem Holzstegweg, den wir begeistert entlang spazieren, denn unten im üppig grünen Tal ahnen wir bereits den wilden Fluss, über den dann der Weg weitaus abenteuerlicher zurückführen wird, so Gerwien. Doch dann springt die imposante Festung Castelo da Lousã in unser Blickfeld und die Kinder wünschen sich dort eine Rast. Denn Kinderbeine sind ja bekanntlich kürzer und also schneller müde und Kindermägen auch kleiner und somit schneller leer.
Die kleine Burg wurde im 8. oder 9. Jahrhundert errichtet, möglicherweise von einem islamischen Emir namens Arouce. Dieser soll unter der Burg einen Schatz vergraben haben, der noch immer auf sein Wiederfinden wartet. Vielleicht findet Ihr ihn?
Wir verspeisen, statt nach dem Schatz zu suchen, unsere Snacks und kommen dann mit den anderen Wandersleuten ins Gespräch. Jemand empfiehlt uns das hübsche Schieferdörfchen Talasnal zu besuchen, was nur zwei Kilometer entfernt auf einem Berghang throne.
Die abenteuerliche Flusswanderung muss also noch etwas auf uns warten. Wir biegen stattdessen in einen idyllischen Waldweg ein, der von falschen Mimosen und echten Felswänden gesäumt ist, die in der herrlich warmen Novembersonne hellgrün und hellbraun leuchten. Schnell sind ein paar Wanderstöcke gefunden und wir kommen nun tatsächlich gut voran, erreichen schließlich ein verlassenes Haus, in das die unermüdliche Natur inzwischen fast vollständig zurückgekehrt ist.
Etwas später passieren wir das kleine und hübsche Wasserkraftwerk Central Hidro-Eléctrica da Ermida, das vor 100 Jahren den technischen Fortschritt in diese abgelegene Region brachte und die nahegelegene Papierfabrik, sowie die umliegenden Dörfer mit nachhaltigem Strom versorgte. Neben dem kleinen Gebäude findet Ihr auch einige Picknickbänke. Eine kleine Kapelle schaut stolz von einem Hügel auf Tal, Fluss und Kraftwerk hinab.
Wir nehmen jetzt den steilen Weg, der den gegenüberliegenden Hang hinauf führt und wieder sind die Kinderbeine kurz und die Mägen klein und wir sind froh, als wir endlich ganz oben auf dem Bergrücken ankommen und die hübschen mittelalterlichen Häuser Talasnals vor uns zu einem winzigen, uralten Dörfchen zusammengeschmiegt auf uns warten. Wegen der leeren Mägen suchen wir nun nach der Taberna do Talasnal und sind frustriert, als wir sie vollkommen ausgebucht bis zum letzten Platz und bis zum späten Nachmittag vorfinden. Zugegeben hier säßen wir jetzt auch gerne entspannt draußen, mit einer warmen Speise vor uns.
Der sehr freundliche Verkäufer in dem hübschen kleinen Laden Dom Mercadinho nebenan rät uns dazu, es im Restaurant O Retalinho zu versuchen, wo wir schließlich auch einen schönen Tisch in einem urigen, wohnzimmerartigen Gastraum bekommen. Die Köchin Maria José erklärt uns, dass so viele Touristen noch nie hier gewesen seien und die 5 verbliebenen Einwohner Talasnals heute damit etwas überfordert sind. Dann zählt sie auf, welche Speisen sie noch auftragen kann. In der nächsten Stunde verschwindet sie immer wieder in der unteren Etage, nur um ein paar weitere mit traditionellen Speisen gefüllte Teller heraufzubringen. Wir genießen die Wanderpause, das herzhafte Essen, den Kaffee und bemerken gar nicht, dass die Sonne schon zu ihrer Sonnenuntergangsposition hinüber geschlichen ist.
Obwohl es noch andere Wege zurück zum Castelo gibt, entscheiden wir uns wieder für den gleichen Weg, damit wir noch Zeit finden, die abenteuerliche Flussroute nach Lousã einzuschlagen. Eine gute Entscheidung, denn als wir am Castelo ankommen, ist von der Sonne nicht mehr viel zu sehen. Wir eilen nun hinab zum Fluss und bewundern erst einmal den großen Flussstrand Praia Fluvial de Nossa Senhora da Piedade, der hier angelegt wurde. Es gibt ein Restaurant, Toiletten und Parkplätze und ein riesiges im Sommer aufgestautes Schwimmbecken.
Direkt daneben führt uns ein bequem gepflasterter Weg zur Wallfahrtsstätte Nossa Senhora da Piedade die aus vier kleinen Kapellen und einem hübschen Garten besteht. Durch letzteren spazieren wir mit Begeisterung, weil er auf der Hangseite von mystischen Grotten gesäumt ist und auf der anderen Seite einen fantastischen Blick ins Tal und auf die darüber aufragende Burg bietet. Sobald der gepflasterte Weg sein Ende erreicht, klettern wir an Ketten zu einem beeindruckenden Wasserfall hinab.
Jetzt geht es durch den üppigen Wald, auf einer rutschigen Hängebrücke über den Fluss und immer an seinen wilden Ufern entlang, bis wir die alte Papierfabrik aus dem 18. Jahrhundert erreichen. Hier wurde schon früh mit modernsten Methoden hochwertiges Papier für das In- und Ausland produziert. Wir laufen nun noch eine knappe halbe Stunde durch die gemütliche Dunkelheit, bevor wir erschöpft, aber sehr zufrieden mit dem schönen Tag unser Wohnmobil erreichen.
Am nächsten Morgen können wir dann auch unser Versprechen an unsere vier Mädchen einlösen. Wir fahren die wenigen Kilometer zum Hotel Parque Serra da Lousã in Miranda do Corvo und erhalten dort bei der ausgesprochen freundlichen Rezeptionistin für ein kleines Entgelt Zugang zum warmen Innenpool, samt Sauna, türkischem Bad und Whirlpool. Das Hotel gehört einer Stiftung, die mit dem Gewinn unterschiedliche soziale Projekte fördert. Da bereitet uns das gemütliche Baden im warmen Wasser gleich noch mehr Freude!
Für Eure Planung
Gerwiens Stellplatz Terra da Barraquinha in Lousã
Startpunkt unserer Wanderung an der Igreja Matriz da Lousã
Taberna do Talasnal (Besser vorher reservieren)
Praia Fluvial de Nossa Senhora da Piedade
Weiter Tipps
Elena hat in ihrem Blog ElenaCreativ einen Aufenthalt in Cerdeira, einem kleinen Künstlerdörfchen in der Serra da Lousã beschrieben, bei dem sie an einem Holzschnitzkurs teilgenommen hat.
Einer unserer liebsten Flussstrände, der Fragas de São Simão liegt nur eine halbe Autostunde entfernt von Lousã auf der anderen Seite der Serra da Lousã und eignet sich herrlich für einen heißen Sommertag.