Salzgewinnung zum Anfassen mit Spa, Stadtstrand, Spielplatz, gemütlichem Restaurant und Hausboot-Übernachtung
Aveiro ist eine Stadt zwischen Lissabon und Porto, die vielleicht nicht ganz zu Unrecht gern mit Venedig verglichen wird, auch wenn sie nur über drei Kanäle verfügt, auf denen die bunten Moliceiro-Boote früher Seetang zum Düngen auf die Felder und heute Touristen durch die Kanäle schippern. Diese Boote erinnern zwar tatsächlich an Gondeln, allerdings finde ich vor allem die allgegenwärtige Lagunenlandschaft mit der Venedigs vergleichbar.
Der Rio Vouga, erreicht hier nach 148 km seine Mündung und bildet die riesige Sumpflandschaft und Lagune Ria de Aveiro. Diese Lagune wird immer wieder mit Salzwasser aus dem Meer versorgt und ist bekannt für ihren großen Artenreichtum. Aveiro selbst kam im 16. Jahrhundert durch die ertragreiche Fischerei in Neufundland zu Reichtum und entwickelte sich zu einer vergleichsweise großen Stadt, die allerdings schon bald aufgrund einer Versandung der Meereszugänge wieder an Bedeutung und Größe verlor und sich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts in einem stetigen Niedergang befand.
Schon die Römer schätzten die Gegend als Salzgewinnungsgebiet, und erste schriftliche Quellen belegen, dass schon 959 Salz in Aveiro gewonnen wurde. Die Ria veränderte sich jedoch immer wieder und die Bewohner versuchten sie im Laufe der Jahrhunderte zu bändigen, was jedoch erst seit 1808 einigermaßen gelang und unmittelbar zu einem neuen wirtschaftlichen Aufschwung der Region führte. Salz aus Aveiro wurde in viele europäische Länder exportiert. In den 1970er Jahren erreichte die Salzgewinnung ihren weit sichtbaren Höhepunkt. Aus 270 Marinhas ragten unzählige weißleuchtende Salzberge in die Höhe. Heute sind von diesen 270 Marinhas nur noch 9 in Betrieb und die Salzproduktion hat erheblich an Bedeutung verloren.
Daher haben einige der Marinhas ihre Dienstleistungspalette erweitert und bieten neben einer nachhaltigen Salzproduktion auch Führungen und andere touristische Funktionen. Die Marinha da Noeirinha sticht hierbei besonders hervor. Sie ist mit einem zehnminütigen Spaziergang aus dem Stadtzentrum Aveiros bequem erreichbar und bietet neben der Salzproduktion und dem Verkauf von Salzerzeugnissen auch spannende geführte Touren (auf portugiesisch und englisch), ein sehr angenehmes Fußbad in einem salzigen Spa-Wasserbecken, und einen hübschen Strand mit salzigem Lagunenwasser, einen kleinen Spielplatz und direkt daneben ein hübsches Restaurant mit einigen sehr leckeren Speisen.
Als wir an der Marinha ankommen, stehen dicke Wolken am Himmel, obwohl es Mitte August ist. Wir haben schon verstanden, dass die Tage in dieser Gegend am Meer oft trüb und kühl beginnen. Einer der Marnotos, der Salinenarbeiter Senhor Alberto, führt uns zu den vielen verschiedenen Wasserbecken der Marinha und erklärt uns vokabelreich deren Funktion, während unsere Aufmerksamkeit immer wieder von hübschen Vögeln abgelenkt werden, die durch die Wasserbecken staksen.
Er spricht über den Unterschied der Marinhas von den Salinas und von der besonderen Beschaffenheit des hiesigen Salzes, dass einen viel längeren Kristallisierungsprozess durchläuft, als in wärmeren Gegenden Portugals, z.B. in der Ria Formosa, wo das Wasser viel schneller verdampft. Das Salz ist hier also auch im Endprodukt feuchter, aber dadurch intensiver im Geschmack. Er erwähnt auch den berühmten Sänger José Afonso, der in Aveiro geboren ist und 1974 dann mit seinem Lied “Grândola, Vila Morena” das Startsignal für die Nelkenrevolution geliefert hat.
Am Ende der Führung betrachten wir fasziniert die großen Salzberge, Ergebnisse eines etwa zehntägigen, stillen Prozesses von Sonne, Wind und Marnotos. Natürlich kaufen wir uns auch frisches Salz, was wir dann zurück in Lissabon begeistert zum Kochen verwenden.
Inzwischen scheint die Sonne, die Wolken haben sich verzogen, wir machen es uns am Strand gemütlich. Die Kinder suchen Steine im Sand und planschen im weniger kühlen Salzwasser, als der nahe Atlantik zu bieten hätte und wir setzen uns schließlich ins Restaurant und genießen die schmackhaften Speisen. Es werden sogar vegetarische Speisen angeboten.
Wenn Ihr auch am Abend noch nicht gehen wollt, könnt Ihr neuerdings eines der Hausboote mieten, die in dem Salzwassersee schaukeln. Sie sind sehr luxuriös ausgestattet und sicherlich ein wunderbar außergewöhnlicher Ort, um mitten in Aveiro und doch etwas abseits vom Trubel zu übernachten. Vielleicht erspäht Ihr dann morgens eine Gruppe Flamingos in einem der umliegenden Wasserbecken?
Marinha da Noeirinha
GPS: 40.645515, -8.659566
Öffnungszeiten:
Täglich: 9:00 – 19:00
Webseite: noeirinha.pt
Facebook: facebook.com/noeirinha/
Für eine englischsprachige Führung solltet Ihr vor Eurem Besuch Kontakt mit den Mitarbeitern der Marinha aufnehmen, z.B. telefonisch oder über Facebook.
Einkehr:
Das Restaurant der Marinha hat einige Außenplätze mit direktem Zugang zum Strand und Spielplatz. Es werden auch einige vegetarische Speisen angeboten.
Unbedingt probieren:
In Aveiro (TêZero) und Costa Nova (Zé da Tripa) kann man die regionaltypischen Tripas de Aveiro verköstigen, eine Art Crepe, das mit leckeren süßen und salzigen Saucen verkauft wird. Lasst Euch nicht von den langen Schlangen abschrecken!
2 Kommentare
Lieber Jens,
Salz finde ich immer spannend – wenn man in Süddeutschland lebt, stolpert man ja ständig über die ehemalige Salzstraße. Aber Meersalz übt für uns, die wir weit vom Meer entfernt leben, natürlich nochmal eine andere Faszination aus. Und obwohl ich schon öfter durch Portugal gekurvt bin – an Aveiro muss ich immer vorbeigefahren sein. Das muss sich ändern! Dein schöner Artikel hat richtig Lust auf die Region gemacht. Vielen Dank dafür!
Liebe Grüße
Elke
Ja, liebe Elke, die Gegend um Aveiro hat einiges zu bieten. Vor allem herrliche, weite, fast menschenleere Strände, viel Natur, schöne Wandermöglichkeiten in Naturschutzgebieten, z.B. im Reserva Natural das Dunas de São Jacinto, ein wahrer Märchenwald zwischen Lagune und Ozean, oder die Bioria Estarreja, wo Du Dir ein Fahrrad ausleihen und ganz entspannt durch die weite Lagunenlandschaft radeln kannst. Das hübsche, sehr farbenfrohe Costa Nova lohnt auch unbedingt einen Besuch und ganz in der Nähe gibt es ein hervorragendes Keramikmuseum (Museu Vista Alegre) und ein sehr modernes Museum über die Geschichte der portugiesischen Seefahrt (Museu Marítimo de Ílhavo e Aquário dos Bacalhaus) und noch mehrere andere lohnenswerte Museen. Herzlichen Dank für Deinen netten Kommentar!